Was man gegen Rassismus tun kann – Wissenschaftler zu Gast in Kreistags-Sondersitzung
Viel Stoff zum Nachdenken, unterhaltsam vermittelt – das nahmen die Zuhörenden kürzlich aus der Sondersitzung des Kreistags (am Dienstag, 12. November) mit. Der renommierte Rassismusforscher Prof. Dr. Karim Fereidooni von der Ruhr-Universität Bochum war angereist, um über seine Forschung zu berichten. „Rassismuskritik: Was muss ich wissen? Was kann ich tun? Was kann meine spezifische Institution leisten?“, so der Titel seines aufrüttelnden Vortrags.
Gastvortrag von Prof. Dr. Karim Fereidooni
Wie prägt Rassismus unsere Gesellschaft und uns persönlich? Als Wissenschaftler bezog sich Professor Fereidooni bei dieser sensiblen Frage nicht auf Gefühl, sondern auf Fakten. Auf Erkenntnisse aus validen Studien mit mehreren Tausend Teilnehmenden. Deren Ergebnisse seien für manche schwer zu glauben. Was aber an Tatsachen nichts ändere: „Alle haben ein Recht auf eigene Meinung. Aber nicht auf eigene Fakten.“
Warum Rassismus alle Menschen betrifft
Eines seiner Ergebnisse: Rassismus existiere in unserer Gesellschaft und präge auch Menschen, die sich davon frei glauben. Er beschränke sich weder auf bestimmte Bevölkerungsgruppen, Alters- und Einkommensstufen noch auf Parteien. Manche Menschen seien empfänglicher, andere weniger. Aber alle begegneten im Lauf ihres Lebens, oft schon in früher Kindheit, rassistischen Einstellungen – sei es durch Äußerungen im persönlichen Umfeld, Texte in Büchern, einseitige Berichterstattung oder andere Quellen. Diese Inhalte würden bewusst oder unbewusst in das eigene Weltbild aufgenommen. Das treffe auf jede Art von Diskriminierung zu, sei es Rassismus, Sexismus oder jede andere Form von Ausgrenzung aufgrund einer Gruppenzugehörigkeit.
Sich dieser Prägung bewusst zu werden, auch wenn es unangenehm sei, kann laut Prof. Fereidooni bereits viel bewirken. Wer solche Faktoren anerkenne, könne nicht mehr behaupten, selbst ganz frei von Rassismus zu sein und dann das Thema von sich wegschieben – eine Option, die Betroffene grundsätzlich nicht haben.
Betroffene leiden unter Nicht-Wahrhaben-Wollen der Mehrheit
Das Nicht-Wahrhaben-Wollen seitens der Mehrheitsgesellschaft sei für Betroffene ein ernstes Problem. Das zeige der Ergebnis einer Studie unter in Deutschland lebenden schwarzen Menschen: „Ganze 90 Prozent von ihnen haben darin angegeben: ,Wenn ich von meinen Erfahrungen mit Rassismus berichte, wird mir nicht geglaubt.‘“
Wie kann dem Rassismus begegnet werden? Die wichtigste prägende Instanz sei die Familie. Aber nicht die einzige. Neben der Sensibilisierung Einzelner setzt Prof. Fereidooni als Didaktiker und ehemaliger Lehrer auch große Hoffnungen in Lehrkräfte und Lernmaterialien. Sie könnten einen wichtigen Beitrag leisten, damit die Demokratie in Deutschland weiterhin fest steht.
Bei der anschließenden Diskussion zeigten sich die Kreistagsmitglieder und die Besucherinnen und Besucher der öffentlichen Sondersitzung überwiegend beeindruckt von den Ausführungen des Wissenschaftlers und stellten interessierte und kritische Fragen.
Kreistags-Sondersitzung als Zeichen für Menschlichkeit und Frieden
Die zeitliche Nähe der Sondersitzung zum 9. November war kein Zufall. Das Datum steht für Wendepunkte der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert: Die Ausrufung der ersten Republik 1918, den Hitlerputsch 1923, die Reichspogromnacht 1938 und den Mauerfall 1989. Daher organisiert der Kreis Olpe in den Tagen um den 9. November jedes Jahr besondere Veranstaltungen, um ein Zeichen zu setzen: gegen Diskriminierung, Rassismus und Antisemitismus, für Menschlichkeit und friedliches Zusammenleben.
In ungeraden Jahren vergibt der Kreis seit 2019 den Preis „Kein Platz für Rassismus und Extremismus“, um außergewöhnliches Engagement für Toleranz und Frieden zu würdigen. In geraden Jahren heben besondere Aktionen diese Ziele hervor. Auftakt oder Abschluss ist jeweils eine Sondersitzung des Kreistags zum Thema. Dieses Jahr wurde sie ergänzt um die Ausstellung „Landtag macht Schule“ und interaktive Übungen zum Thema „Demokratie braucht Kompetenzen“. Dabei konnten Schulklassen und Jugendgruppen erfahren, wie Politik in NRW gemacht wird und wie demokratische Debatten ablaufen.