Häusliche Gewalt im Kreis Olpe weiter auf hohem Niveau – Netzwerk veröffentlicht Zahlen
Auch im Kreis Olpe ist häusliche Gewalt seit langem ein Thema: Jedes Jahr veröffentlichen die Kreispolizeibehörde Olpe, die Frauenberatungsstelle Olpe, das Frauenhaus Olpe und auch die Jungen- und Männerberatungsstelle des Katholischen Sozialdienstes Olpe mit der Gleichstellungsbeauftragten des Kreises Olpe Zahlen zu diesem sensiblen Bereich.
Alle gehören dem im Jahr 2002 gegründeten „Netzwerk gegen häusliche Gewalt“ an, ebenso wie viele weitere Institutionen und Einrichtungen, die mit häuslicher Gewalt in Berührung kommen; so das Jugendamt des Kreises Olpe, der Weiße Ring, der Kinderschutzbund und Ehe-, Familien- und weitere Beratungsstellen im Kreis Olpe, um nur einige zu nennen.
„Leider sind die Fallzahlen 2024 nicht zurückgegangen, sondern bewegen sich auf dem gleichen Niveau wie im Vorjahr“, erläutert Sabine Nosiadek, Gleichstellungsbeauftragte des Kreises Olpe und Koordinatorin des Netzwerks gegen häusliche Gewalt.
Denn hinter all den nüchternen Zahlen stecken persönliche Schicksale mit all den Facetten, die häusliche Gewalt hat: körperliche und sexuelle Übergriffe, Beleidigungen, Beschädigung von Eigentum oder die Androhung, Kinder oder Verwandte zu verletzen bis hin zum Unterbinden von Kontakten zu Freunden, finanziellen Einschränkungen oder „Hausarrest“.
Statistik der Polizei
Simone Klewes, Kriminalhauptkommissarin und Opferschutzbeauftragte, zeigt auf, dass die Polizei im Kreis Olpe im vergangenen Jahr 282 Strafanzeigen wegen häuslicher Gewalt aufgenommen hat. Damit liegt die Anzahl der bekannt gewordenen Taten auf dem Niveau des Vorjahres 2023 (276 bekannt gewordene Fälle). Von einer hohen Dunkelziffer ist laut Polizei auszugehen.
Bei häuslicher Gewalt sind die Opfer überwiegend weiblich. Im vergangenen Jahr wurden von der Polizei zu 71 Prozent weibliche Opfer erfasst. Die meisten Opfer, 79 Prozent, sind erwachsen. Doch auch Kinder, Jugendliche, Heranwachsende und Senioren werden zu Opfern. Auch die Täter sind weit überwiegend (zu 83 Prozent) Erwachsene.
Über 67 Prozent der Opfer und 71 Prozent der Täter haben die deutsche Staatsangehörigkeit. In etwa der Hälfte der Fälle häuslicher Gewalt wurde diese in Ehen ausgeübt und in knapp 14 Prozent in Ex-Partnerschaften. Zu 97 Prozent wurden Opfer durch die Taten leicht verletzt.
Das Polizeigesetz NRW ermöglicht der Polizei, gegen Tatverdächtige ein zehntägiges Rückkehrverbot in die gemeinsame Wohnung auszusprechen. Davon machte die Kreispolizeibehörde im vergangenen Jahr 93 Mal Gebrauch (im Vorjahr 110 Mal). Diese zehn Tage sollen Opfer Zeit haben, sich Rat zu holen oder bei Gericht ein Annäherungsverbot zu beantragen.
Simone Klewes erläutert, dass häusliche Gewalt keinen eigenen Straftatbestand darstellt – sehr wohl aber die unter diesem Begriff begangenen Taten. Dazu gehören unter anderem Körperverletzung, Stalking, Bedrohung, Nötigung, Freiheitsberaubung und sexuelle Übergriffe.
Beratungen beim Verein „Frauen helfen Frauen“
Die Polizei gab von 23 betroffenen Frauen die Kontaktdaten an die Beratungsstelle des Vereins „Frauen helfen Frauen“ weiter; 16 Frauen nahmen das Angebot einer persönlichen Beratung dort an.
Insgesamt führte die Frauenberatungsstelle im vergangenen Jahr 1.530 Einzelberatungen sowie 251 Beratungen mit digitalen Medien durch. Der Bedarf an Beratung, Unterstützung und therapeutischer Begleitung durch die Frauenberatungsstelle Olpe sei also nach wie vor sehr hoch, betont Anette Pfeifer.
Die ratsuchenden Mädchen und Frauen kommen aus allen sozialen Schichten und allen Kommunen des Kreises Olpe. Am häufigsten (30 Prozent) sucht die Altersgruppe der 26- bis 40-Jährigen die Beratungsstelle auf, gefolgt von den 41- bis 50-Jährigen mit 20 Prozent.
Rund 80 Prozent der Mädchen und Frauen, die die Beratung annehmen, besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit.
Rund 90 Prozent der beratenen Mädchen und Frauen sind von physischer, psychischer oder sexualisierter Gewalt betroffen. 75 Prozent entfallen auf physische und psychische Gewalt, 25 Prozent auf sexuelle Gewalt und 12 Prozent auf digitale Gewalt. Die Täter waren zu 93 Prozent männlich, bei fünf Prozent gab es auch Täterinnen und bei vier Prozent eine Täter- oder Täterinnengruppe (Mehrfachnennungen möglich).
Sexualisierte Gewalt wie Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, aktueller und zurückliegender Missbrauch, Folter oder sexuelle Belästigung wurde hauptsächlich (85 Prozent) von Lebensgefährten, Ehemännern, Ex-Partnern und Verwandten verübt. Bei fünf Prozent gab es auch Fremdtäter, bei 15 Prozent handelte es sich um Bekannte und professionelle Helfer.
Oftmals, führt Anette Pfeifer aus, sei in den Gesprächen eine umfassende Gewaltproblematik deutlich geworden: Dazu zählen auch ökonomische und soziale Gewalt – also die Kontrolle über alles. Dadurch werde es für Betroffene besonders schwer, einen Ausweg zu finden, besonders, wenn sie bereits in der Kindheit Opfer von Misshandlung und/oder sexuellem Missbrauch geworden sind.
Anette Pfeifer macht auf die zahlreichen Angebote und Veranstaltungen der Frauenberatungsstelle aufmerksam, darunter die Präventionsarbeit in Schulen und offenen Jugendtreffs sowie den Werthmann-Werkstätten.
Belegung des Frauenhauses
Im Jahr 2024 wurden 48 Frauen (2023: 39) und 48 Kinder (2023: 31) aufgenommen. Die Hälfte der aufgenommenen Frauen war zwischen 26 und 40 Jahre alt, 27 Prozent gehörten zur Altersgruppe 18 bis 25 Jahre und 21 Prozent zur Altersgruppe 41 bis 60 Jahre.
Von den Aufgenommenen stammten zwei Prozent aus dem Kreis Olpe, vier Prozent aus dem Kreis Siegen-Wittgenstein, 67 Prozent aus anderen Kreisen in NRW und 27 Prozent aus anderen Bundesländern. Dies zeigt eindrücklich, dass wirksamer Schutz in den meisten Fällen nur bei großer Entfernung zum gewohnten Umfeld funktioniert.
Die Gründe für die Aufnahme waren in 50 Prozent der Fälle Misshandlung durch den Ehemann und in jeweils 25 Prozent der Fälle Misshandlung durch den Partner oder Gewalt durch sonstige Personen. Insgesamt brachten sich sechs Prozent der Frauen vor einer drohenden Zwangsheirat in Sicherheit.
Die Aufenthaltsdauer der Frauen und Kinder im Frauenhaus wird von Jahr zu Jahr länger: 20 Prozent bleiben bis zu sieben Tage, 35 Prozent bis zu einem Monat, 28 Prozent bis zu drei Monaten, 13 Prozent bis zu sechs Monaten und vier Prozent bis zu einem Jahr.
Der seit Jahren bestehende Mangel an günstigem Wohnraum hat erhebliche Auswirkungen auf das Frauenhaus, betont der Verein „Frauen helfen Frauen“. Deshalb verlängere sich die Aufenthaltsdauer erheblich, was nicht dem Sinn einer Notunterkunft entspreche. Wegen Überbelegung mussten viele Aufnahmeanfragen abgelehnt werden.
Jungen- und Männerberatung „Echte Männer reden“
Für Männer gibt es in Olpe seit einigen Jahren ein spezielles Beratungsangebot, das Daniel Schulte und Albert Hasenau vom Katholischen Sozialdienst an der Mühlenstraße anbieten.
Dort erschienen im vergangenen Jahr 67 Jungen und Männer und nahmen 216 Beratungskontakte wahr. Die waren 17 Prozent mehr als 2023. Von den Klienten waren acht Prozent Täter und acht Prozent Betroffene häuslicher Gewalt. Die Hauptanliegen lagen im Bereich der Lebenskrisen. Hierzu gehören u.a. Trennung/Scheidung, Gesundheitsprobleme, Konflikte am Arbeitsplatz und/oder Arbeitsplatzverlust, Beziehungsprobleme, Konflikte in der Familie, Probleme in der Vaterrolle und Straffälligkeit.
Kontakte der Hilfestellen
Frauenberatungsstelle Olpe, Friedrichstraße 24, Tel.: 02761-1722, E-Mail: info@frauenberatungsstelle-olpe.de, Website: www.frauenhelfenfrauen-olpe.de.
Frauenhaus Olpe, Tel: 02761-834 684, E-Mail: frauenhausolpe@gmx.de, Website: www.frauenhelfenfrauen-olpe.de.
Das bundesweite Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ (www.hilfetelefon.de) ist bundesweit rund um die Uhr kostenlos unter Tel.: 116 016 erreichbar. Bei Bedarf werden Dolmetscherinnen für 17 Sprachen zum Gespräch hinzugeschaltet.
Jungen- und Männerberatung: https://www.ksd-olpe.de, Tel.: 02761-83680.